Rückzahlungsverlangen der KV von Weiterbildungszuschüssen bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig
Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) sind verpflichtet, die ärztliche Weiterbildung in den Praxen niedergelassener Vertragsärzte zu fördern. Der Umfang und die Durchführung der Zahlung dieser Fördergelder werden in der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft geregelt und sind unmittelbar an den Weiterbildungsberechtigten auszuzahlen.
Auf Veranlassung von Schellenberg Unternehmeranwälte hatte sich vor kurzem das Sozialgericht Berlin mit der Frage beschäftigt, ob an den Weiterbildungsassistenten bereits ausgezahlte Fördergelder an die KV zurückzuzahlen sind, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ausbildungsabschluss und ohne Anerkennung von Weiterbildungszeiten gekündigt wird.
Die KV hatte wegen missbräuchlicher Verwendung der Fördergelder die gezahlten Geldbeträge vom Arbeitgeber zurückgefordert. Nach Auffassung der KV liegt ein Verstoß gegen die Weiterbildungsordnung (WBO) vor, wenn die Weiterbildung vorzeitig ohne Anerkennung von Weiterbildungszeiten abgebrochen wird. Dadurch kommt es zum Wegfall der Fördervoraussetzungen. die KV hob per Verwaltungsakt nachträglich und rückwirkend die Förderbewilligung auf und verlangte die ausgezahlten Fördergelder vom Arbeitgeber zurück. Die Umsetzung erfolgte sodann durch eine Verrechnung mit dem nächstfolgenden Honorarabschlag.
In der Verhandlung am 23.06.23 teilte das SG Berlin mit, dass diese Verwaltungspraxis rechtswidrig ist. Grundsätzlich sehe zwar die Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung vor, dass die Fördervoraussetzung bei missbräuchlicher Verwendung entfallen kann und die Leistungen in vollständiger Höhe an die KV zu erstatten sind. Jedoch sei weder in der Anlage I zu der Vereinbarung, noch im Bewilligungsbescheid der KV selbst eine Klarstellung enthalten gewesen, dass unter den unbestimmten Rechtsbegriff der „missbräuchlichen Verwendung“ auch eine an sich rechtmäßige Kündigung des Arbeitsverhältnisses fällt.
Ein Vertreter, der in dem Verfahren beigeladenen KBV erläuterte hierzu, dass in der Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung an derartige Konstellationen nicht gedacht wurde, noch hierzu in der Vereinbarung eine Regelung existiere. Es haben nur echte Missbrauchsfälle vorgelegen, denen man mit der Rückzahlungsverpflichtung im Missbrauchsfall begegnen wollte.
Dieser Umstand führte zu der Rechtsaufassung des SG Berlin, dass bei Erlass des Bewilligungsbescheides und anfänglich ordnungsgemäßer Weiterleitung der Fördergelder an den Weiterbildungsarzt ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird. Rückforderungsverlangen müssen sich dann an den gesetzlichen Anforderungen der Regelungen im Sozialgesetzbuch Zehntes Buch -SGB X- messen lassen, soweit in der Vereinbarung selbst hierzu keine Regelung existiert. Demnach bestünde nur dann eine Rückzahlungspflicht, wenn der Arzt hiervon Kenntnis gehabt hätte. Aufgrund fehlender Mitteilungen hatte der betroffene Arzt und Arbeitgeber von einer bestehenden Rückzahlungspflicht im Fall einer Kündigung weder Kenntnis, noch hatte er die Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, die Rückzahlungspflicht erkennen zu können. Das Sozialgericht Berlin wies darauf hin, dass die KV mindestens diesen Hinweis zukünftig in Ihren Förderbewilligungsbescheiden aufnehmen müsse, um den Arzt in Kenntnis zu setzen.
Nunmehr finden sich in neuen Bewilligungsbescheiden diese besonderen Hinweise der Rückzahlungspflicht. Dies führt zwar zu dem Umstand, dass kein Vertrauenstatbestand mehr geschaffen werden kann, der eine Rückzahlung verhindert. Dennoch bleibt die Regelungslücke im Fall rechtmäßig erfolgter Kündigungen so lange erhalten, bis diese durch die Vertragspartner angepasst wird. Der beigeladene Vertreter der KBV teilte mit, diesen Umstand intern weiterzugeben, mit dem Ziel eine entsprechende zukünftige Neuregelung zu schaffen.
Es wird jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis es zu einer solchen Regelung kommen wird. Die Betroffenen sind jedoch bis dahin gut beraten und müssen unmittelbar schon gegen die Bewilligungsbescheide der Fördergelder, die den Hinweis der Rückzahlung im Fall einer Kündigung enthalten, vorsorglich Widerspruch einlegen, um im Fall einer Kündigung dennoch die Möglichkeit offen zu halten, eine Rückzahlung zu vermeiden. In diesem Fall bedarf es dann einer Auslegung der Begrifflichkeit des „Missbrauchs“. Wie das Gericht dann diese Regelungslücke schließen wird, bleibt offen.